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Autosalon Turin 1965: Dieses Fahrgestell entfacht die Miura-Legende

VERÖFFENTLICHUNGSDATUM: 01 Dez. 2025   |   Sant’Agata Bolognese

Vor 60 Jahren stellte Lamborghini etwas vor, was normalerweise versteckt bleibt: Ein revolutionäres mechanisches Konzept des weltweit ersten Supersportwagens

Sant’Agata Bolognese, 1. Dezember 2025 – Im November 1965 zieht auf dem Autosalon in Turin kein Auto die Blicke auf sich, sondern ein bloßes Fahrgestell: produziert aus gefaltetem Blech, durch zahlreiche gebohrte Öffnungen leichter gemacht. Darauf sitzt ein 4,0-Liter-V12-Motor, der quer im Heck montiert ist. Es sieht aus wie ein Rennprototyp, doch es ist der Ursprung des Miura. Dieser Rahmen auf dem Lamborghini-Stand der Turiner Motorshow offenbart das reine mechanische Wesen des nächsten Serienmodells aus Sant’Agata Bolognese. Es ist eine Machtdemonstration, eine radikale Geste, die den Beginn einer neuen Ära markiert und ein ikonischer Moment in der Geschichte von Lamborghini. Im Jahr 2026 feiert die Marke das 60-jährige Jubiläum seit dem Debüt des Miura – mit einem Festjahr und einer offiziellen Tour des Polo Storico, die den ersten Supersportwagen der Welt würdigt.

Die erste Idee für die künftige Architektur von Lamborghini entstand im Sommer 1964 aus der Intuition und dem Mut dreier junger Mitglieder des Lamborghini-Teams in Sant’Agata Bolognese: Giampaolo Dallara, Paolo Stanzani und Testfahrer Bob Wallace. Gerade einmal über zwanzig Jahre alt, teilten sie den Traum, Lamborghini in die Welt des Rennsports zu führen. Da dies nicht zu den Plänen von Ferruccio Lamborghini gehörte, beschlossen sie, dass, wenn ihre Autos nicht auf die Rennstrecke kommen konnten, die Rennstrecke zu den Straßenautos kommen müsste – mit Leistung, Technologie und Emotion. Diese Idee formte das Projekt L105, das zunächst als leichter, kompakter Fahrzeugrahmen entstand. Er war dafür vorbereitet, eine extreme und revolutionäre Gran-Turismo-Karosserie zu tragen. Obwohl Ferruccio Lamborghini anfangs skeptisch war, vertraute er seinem Team und das P400-Fahrgestell samt Motor wurde Realität: ein Manifest für kreative Freiheit und technische Avantgarde.

Präsentiert auf der Turiner Motorshow am 3. November 1965, zusammen mit dem 350 GT und dem 350 GTS, erschien das Fahrgestell lackiert in Satin-Schwarz mit vier weißen Auspuffrohren. Die damaligen Berichte beschrieben es als das Skelett eines fahrbereiten Rennwagens und hoben dabei die innovative technische Konfiguration hervor. Die Struktur, hergestellt von Marchesi in Modena, bestand aus 0,8 Millimeter dünnem Stahlblech, das gefaltet und gebohrt wurde, um Leichtigkeit und Steifigkeit zu gewährleisten. Ein zentraler Tunnel diente als tragendes Element und Montagebasis für die Aufhängung, während zwei Hilfsrahmen vorn und hinten die mechanischen Komponenten, die Aufhängung und Zubehörteile trugen. Das Gesamtgewicht lag bei nicht mehr als 120 Kilogramm – ein beeindruckender Wert für die damalige Zeit. Eine Einzelradaufhängung mit Doppelquerlenkern, Girling-Scheibenbremsen und Borrani-Felgen komplettierten die Technik, mit Lösungen, die aus dem Motorsport übernommen wurden und noch nie zuvor bei einem straßenzugelassenen Fahrzeug verwendet wurden.

Sein markantes Merkmal war die bislang nie dagewesene Integration von Motor und Getriebe in eine einzelne, kompakte Einheit hinter der Fahrerkabine. Diese Lösung verringerte die Größe der Plattform und schuf eine völlig neue Antriebsarchitektur. Zwölf vertikale Ansaugtrichter der Weber-Vergaser rundeten das technische Spektakel ab und sorgten für ein kraftvolles visuelles Statement eines extremen Konzepts.

Das Fahrgestell faszinierte sowohl die Öffentlichkeit als auch die Presse: Ein statisch präsentierter Prototyp ohne Karosserie wurde zum Mittelpunkt des Autosalons. In jenen Tagen fanden sich die wichtigsten italienischen Karosseriebauer am Lamborghini-Stand ein. Ursprünglich wurde das Fahrgestell der Carrozzeria Touring als Projekt Tigre vorgestellt – noch vor seiner öffentlichen Enthüllung in Turin, wo das es ohne Karosserie zur Messe kam. Der Karosseriebauer Carozzeria Touring, der die Modelle 350 und 400 GT gebaut hatte, schlug sein eigenes Design vor, doch finanzielle Schwierigkeiten trübten die zukünftige Zusammenarbeit. Auch das Unternehmen Pininfarina, das mit anderen Herstellern verbunden war, konnte sich nicht auf die Marke aus Sant’Agata festlegen. Diese daraus entstehende Gelegenheit ergriff schlussendlich Nuccio Bertone.

Der Legende nach kam Bertone gegen Ende der Messe an den Stand von Lamborghini und wurde vom Firmengründer Ferruccio Lamborghini mit einem Witz begrüßt: „Du bist der letzte der Karosseriebauer, der sich hier zeigt.“ Bertone betrachtete das Fahrgestell und antwortete, dass sein Atelier „den perfekten Schuh für diesen wunderbaren Fuß“ fertigen würde. Ob das Gespräch tatsächlich so stattgefunden hat, ist ungewiss, doch die Geschichte hebt das sofortige Verständnis zwischen den beiden Unternehmern hervor. Bei diesem Treffen fiel die Entscheidung, Bertone mit dem Bau der Karosserie des zukünftigen Lamborghini zu beauftragen. Während der Weihnachtsferien, als die Fabrik geschlossen war, erhielten Ferruccio Lamborghini, Giampaolo Dallara und Paolo Stanzani die ersten Skizzen. Sie empfanden die Designlinien als so innovativ, dass sie sofort als das endgültige Projekt anerkannt wurden.

Im März 1966 nahm das in Turin präsentierte P400-Fahrgestell auf der Genfer Motorshow seine endgültige Form an und wurde zum legendären Miura. Dieses Modell wird 60 Jahre später sein Jubiläum feiern und sein Ursprung liegt für immer hier: in einer satin-schwarzen Struktur, mit vier weißen Auspuffen, zwölf vertikalen Vergasertrichtern und der mutigen Entscheidung, der Welt nicht die Karosserie, sondern das, was darunter lag, zu zeigen. In diesem Moment verwandelte Lamborghini eine kühne Idee in Realität und ebnete den Weg für eine Legende, die niemals verblasst.

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