Lamborghini greift bei der Konzeption und Entwicklung seiner Produkte auf den massiven Einsatz von Leichtmaterialien aus Carbonfaser zurück, eine grundlegende Voraussetzungen für die extreme Dynamik und geringere Emissionen seiner Supersportwagen.
Die Geschichte der Verbundwerkstoffe bei Automobili Lamborghini begann 1983, als die erste Verbundwerkstoffabteilung in Sant’Agata Bolognese gegründet wurde. Möglich gemacht wurde dies dank der Erkenntnisse aus Seattle zu den ersten Verbundwerkstoffen aus Carbonfaser und Kevlar der Boeing 767.
Seit damals hat es kein einziges Modell von Lamborghini gegeben, in dem Carbonfaser nicht mal mehr und mal weniger zum Einsatz gekommen wäre. 1983 wurde für den Lamborghini Countach Evoluzione der absolut erste Carbon-Fahrgestellprototyp für ein Straßenauto entwickelt.
2007 kam es jedoch zu einer bedeutenden Wendung in der Verbundwerkstoffgeschichte von Lamborghini: Im Rahmen einer mit der Universität von Washington (UW) geschlossenen Kooperation wurden grundlegende Entwicklungsaspekte des Out-of-Autoclave-RTM-Verfahrens ausgelagert. Dieses sollte später die Basis für das Monocoque des künftigen Aventador bilden.
Im darauffolgenden Jahr wurde der erste Kooperationsvertrag mit Boeing unterzeichnet, um das Crashverhalten von Verbundwerkstoffen und des Aventador-Monocoques zu untersuchen.
Zum ersten Mal in der Automobilbranche wurden Technologien, Prozesse sowie Simulations- und Charakterisierungsmethoden aus der Luft- und Raumfahrt bei Lamborghini eingesetzt.
Für die Entwicklung und Zertifizierung von Verbundwerkstoffstrukturen kam der sogenannte „Building Block Approach“ zur Anwendung.
2007 wurde eine im Forschungs- und Entwicklungsbereich angesiedelte Abteilung gegründet, das heutige „Centro Sviluppo Compositi“ (Entwicklungszentrum für Verbundwerkstoffe), das nach innovativen Materialien forscht und neue Konzepte und Technologien bei der Anwendung von Carbonfaser entwickelt.
Im Februar 2010 entwickelte Lamborghini dank der Zusammenarbeit mit Boeing und Callaway die Technologie Forged Composites®, die im Laufe weniger Tage zur Idee des Sesto Elemento führte. Das Ingenieursteam aus Sant'Agata hatte die Aufgabe, die Verbundwerkstoffinnovationen aus der Luft- und Raumfahrt in brauchbarer Form auf die Automobilbranche umzumünzen, ein Prozess, der schließlich in der Erteilung eines speziellen Patents mündete.
2011 begann zudem die Entwicklung der Repair-Strategie im Rahmen einer neuen Kooperation mit Boeing, die zur Schaffung eines Reparaturverfahrens für Verbundwerkstoffstrukturen in der Automobilbranche geführt und die TÜV-Zertifizierung erhalten hat. Kein anderer Automobilhersteller hatte dieses Ziel bis dato erreicht.
Eine Besonderheit des Lamborghini-Kundendienstes im Bereich der Carbonfaser-Komponenten sind die sogenannten „Flying Doctors“. Dank einem Team qualifizierter Fachkräfte erhält ein Aventador im Schadensfall den bestmöglichen Service. Die „Flying Doctors” unterstützen die Lamborghini-Vertragswerkstätten direkt vor Ort anhand einer Schadensbewertung und der anschließenden Durchführung der Reparaturarbeiten an der Carbonfaserstruktur. Lamborghini garantiert damit, dass die technischen Leistungsmerkmale zu 100 % denen des Originalteils entsprechen. Darüber hinaus wurde in Sant’Agata Bolognese das Repair Center eingerichtet, wo nicht nur Schulungen und Einsätze an Kundenfahrzeugen stattfinden, sondern auch Prototypen und Sonderserien entwickelt werden.
Für das innovative Monocoque und das komplette Fahrgestell des Aventador wurde 2010 eine spezielle Anlage in Sant'Agata errichtet, in der sich automatisierte Produktionsabläufe mit in sorgfältiger Handwerkskunst ausgeführten Arbeitsschritten abwechseln, um sowohl qualitative als auch quantitative Produktansprüche zu erfüllen.
Die meisten Teile des Monocoques werden im patentierten „RTM-Lambo“-Verfahren von Lamborghini gefertigt. Dadurch entfallen nicht nur das händische Walzen und der Einsatz des Autoklaven, sondern es können zudem Carbonfaser-Formen eingesetzt werden. All dies führt zu einer Verringerung der Bearbeitungszeiten und macht die RTM-Lambo-Technologie zu einem hochmodernen Produktionsverfahren.
Lamborghini ist heute auf dem Gebiet der Carbonfaser-Technologie internationaler Vorreiter in der Automobilbranche. Alle Produkte von Lamborghini sind durch die laufende Entwicklung der Transformationsverfahren sowie die Integrations- und Modularitätsanalysen im Bereich der Verbundwerkstoffe gekennzeichnet: von den wichtigsten strukturellen Bauteilen wie dem Monocoque zu den funktionalen Komponenten wie dem ALA-System (aktives Aerodynamiksystem), von den ästhetischen Bauteilen im Innen- und Außenbereich des Fahrzeugs zur Anwendung einer flexiblen Carbonfaser namens Carbonskin®. Dieses ebenfalls patentierte Material von Lamborghini wird anstelle von Leder und Alcantara® im Innenraum eingesetzt und ist das einzige für die Automobilbranche geeignete flexible Material. Die eingesetzten Technologien richten sich stets nach dem konkreten Anwendungsbereich, um die perfekte Balance aus strukturellen Leistungsanforderungen, optischen Merkmalen, Produktionsraten und Kosten zu finden.
Ein weiterer Aspekt, für den sich Lamborghini bereits seit Jahren engagiert, ist die ökologische Nachhaltigkeit. Dank der kontinuierlichen Forschungs- und Entwicklungsarbeit der Lamborghini-Ingenieure stehen heute spezielle Produktionsverfahren zur Verfügung, die den Verbrauch von Energie und wertvollen Ressourcen wie Wasser senken und den Verbundwerkstoff-Ausschuss massiv reduzieren. Etwaige Produktionsreste werden für andere Anwendungen am Fahrzeug und interne Zwecke wie Verkleidungen und Handwagen wiederverwendet. Nicht wiederverwendbare Teile werden gesammelt und zur Rückgewinnung der Carbonfaser recycelt. Anschließend werden neue Produkte aus recycelter Carbonfaser hergestellt, die für die Fertigung anderer Fahrzeugkomponenten mit niedrigeren strukturellen und ästhetischen Anforderungen wie etwa den Fahrzeugunterboden eingesetzt werden. Das Ergebnis ist eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft des Werkstoffs Carbonfaser.