Vom 350 GT bis zum Urus – das Werk in Sant’Agata Bolognese feiert sein 60-jähriges Jubiläum
Sant’Agata Bolognese, 24. März 2023 – Heute ist Automobili Lamborghini ein Unternehmen von Weltrang mit mehr als 2000 Mitarbeitern und 9233 Fahrzeugauslieferungen im Jahr 2022. Als Ferruccio Lamborghini das Unternehmen 1963 gründete, fing er jedoch bei null an. Der Standort, damals wie heute Synonym für legendäre Fahrzeuge, wurde im Laufe seiner 60-jährigen Geschichte immer wieder modernisiert, erweitert und auf neue Produktions-, Technik- und Umweltanforderungen abgestimmt – sein ursprüngliches Herzstück ging dabei aber nie verloren.
Ferruccio Lamborghini suchte damals nach einem Standort für seine neue Firma. Die Wahl fiel auf Sant’Agata Bolognese, wenige Kilometer von seiner Heimatstadt Cento entfernt. Hier erwarb er das Grundstück für die neue Fabrik. Der erste Fabrikteil, der zu den modernsten der damaligen Zeit zählte, wurde zwischen Winter und Herbst 1963, also in gerade einmal acht Monaten, errichtet. Als Ferruccio Lamborghini am 20. Oktober desselben Jahres die Presse zur Vorstellung des Prototyps 350 GTV, des allerersten Lamborghini-Fahrzeugs, einlud, war das Hauptgebäude, wenn man den Fotos Glauben schenken darf, bereits fertiggestellt.
Der 12.000 m2 große Originalkomplex beherbergte 1966 neben der Produktion auch die Büros, das Testzentrum und die Servicewerkstatt. Ab diesem Jahr werden auch Getriebe und Differenziale im eigenen Werk gefertigt. Es gab damals zwei Montagelinien: eine für Motoren und mechanische Bauteile, die andere für die Fahrzeug-Endmontage mit anliegenden Maschinen für die Teileproduktion und die Einstellung der Fahrzeuge. In den an der Hauptfront des 260 Meter langen zentralen Komplexes angeordneten Büroräumen waren die Büros des Vorstands sowie der technischen und kaufmännischen Leitung untergebracht. Im rechten Flügel befand sich das Testzentrum, im linken die Servicewerkstatt und die Nebenräume für die Mitarbeiter. Von Beginn an richtete sich das Hauptaugenmerk von Lamborghini auf den Einsatz modernster Maschinen und Anlagen, um die Handwerkskunst seiner Mitarbeiter mit den fortschrittlichsten am Markt verfügbaren Technologien zu verschmelzen – eine Philosophie, die die Unternehmensvision bis heute prägt.
Am 18. Oktober 1968 kündigte Lamborghini die bevorstehende Fertigstellung von drei neuen Fabrikhallen an, die eine Erweiterung der bebauten Fläche um 3500 m2 mit sich brachte. Diese dienten nicht nur zur Erweiterung der Produktionskapazität, sondern beherbergten auch eine moderne, bestens ausgestattete Versuchsabteilung. Das Foto, das der damaligen Pressemitteilung beilag, ist nicht zuletzt deshalb legendär, weil es neben der im Bau befindlichen Abteilung auch einen 400 GT, einen Islero, einen Espada und zwei Miura ablichtete.
1971 verließen 425 Lamborghini das Werk, im Jahr 1965 waren es gerade mal 67. Im Jahr 1979 wurden lediglich 55 Fahrzeuge gefertigt, eine spürbare Folge der Wirtschaftskrise der 70er Jahre. Im darauffolgenden Jahrzehnt wurde die Produktion wieder aufgenommen und belief sich im Jahr 1987 auf 470 Sportwagen und 300 Bootsmotoren.
1983 wagte sich Lamborghini erstmals an die Entwicklung und Anwendung von Carbonfaser heran. In der neuen Abteilung mit dem Titel „Esperienza Materiali Compositi“ (E.Co – Verbundwerkstoff-Know-how), die dank den aus den ersten Carbonfaser- und Kevlar-Komponenten der Boeing 767 gewonnenen Erkenntnissen aus Seattle ins Leben gerufen wurde, wird der erste Carbonrahmen-Prototyp des Countach Evoluzione ins Leben gerufen. Dies war das erste Lamborghini-Projekt, bei dem Verbundwerkstoffe zum Einsatz kamen, und das erste Projekt dieser Art überhaupt für ein Straßenfahrzeug.
1990 wurden die erforderlichen Anlagen für die Entwicklung, Untersuchung und Erprobung elektronischer Systeme und neuer Verbundwerkstoffe angeschafft. Auch die Errichtung eines im Werk betriebenen Versuchs- und Entwicklungslabors für Emissionsreduktionssysteme fiel in diese Zeit.
Mit dem Beitritt zur der Audi-Gruppe im Jahr 1998 stieg das Entwicklungstempo bei Lamborghini exponentiell an, ebenso wie die Produktions- und Mitarbeiterzahlen. 2000 produzierte Lamborghini 296 Fahrzeuge und beschäftigte 440 Mitarbeiter. 2001 wurde die Neustrukturierung des Produktionsstandorts, die erste nach vielen Jahren, abgeschlossen. In diesem Zuge entstanden das neue Bürogebäude, das zweistöckige Museum sowie ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum. Zuzüglich der Investitionen an den Fertigungsstrecken und der Kantine beliefen sich die Ausgaben für alle bis August 2001 fertiggestellten Bereiche auf 155 Millionen Euro.
Am 25. Oktober 2002 wurde die anlässlich des 40-jährigen Firmenjubiläums geplante Eröffnung des Centro Stile Lamborghini im späten Frühjahr 2003 bekanntgegeben. Der Designabteilung wurde ein eigener Bereich in jenem neuen Gebäude gewidmet, das auch das Kundendienstcenter für klassische Lamborghini-Fahrzeuge und die Schiffsmotorensparte beherbergt. 2003 floriert das Unternehmen mit einem mittlerweile 100.000 m² großen Produktionsstandort – davon 28.900 m² überdacht –, 1305 produzierten Fahrzeugen und 624 Mitarbeitern, von denen rund 145 in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung beschäftigt waren. 2006 wurden 2087 Fahrzeuge produziert – ein spektakuläres Plus von 30,4 % gegenüber dem Vorjahr.
Im November 2008 begannen die Erweiterungsarbeiten der Finish-Abteilung, die für die abschließende Prüfung nach der Fahrzeug-Endmontage zuständig ist. Im Oktober desselben Jahres wurde das neue integrierte Logistikzentrum eröffnet, das sich seitdem in einem eigens dafür errichteten Gebäude im Werk von Sant’Agata Bolognese befindet. Das neue Logistikzentrum nimmt eine Fläche von 11.000 m2 ein und bietet Platz für 14.052 Paletten-Stellplätze.
2011 feierte der neue Aventador LP 700-4 mit innovativem Monocoque aus Carbonfaser, das zur Gänze von Lamborghini entwickelt und produziert wurde, sein Debüt. In diesem Zuge eröffnete Lamborghini die CFK – Lamborghini Carbon Production und legte damit den Grundstein für seine Führungsposition in der Herstellung und Entwicklung von Verbundwerkstoffen, die das Unternehmen bis heute im Supersportwagensektor einnimmt.
2011 wurde darüber hinaus der Parco Lamborghini eröffnet, der es dem Unternehmen heute ermöglicht, zwei seiner wichtigsten Nachhaltigkeits- und Forschungsprojekte hinsichtlich der Auswirkungen auf die eigene Umwelt voranzutreiben: Das Biomonitoring mithilfe von Bienen und das Forschungsprojekt Eichenwald, eine Studie zur Artenvielfalt und CO2-Fallen in Zusammenarbeit mit der Gemeinde von Sant’Agata Bolognese und den Universitäten in Bologna, Bozen und München.
Ein Jahr darauf, 2012, wurde ein Neubau errichtet, der die Prototypenentwicklung, den Protoshop, und das Vorserienzentrum beherbergt. Dieses Gebäude war das erste mehrgeschossige, industriell genutzte Bauwerk Italiens, das als Niedrigstenergiegebäude (nZEB) die Einstufung nach Energieklasse A erreicht.
2015 weihte Automobili Lamborghini die neuen KWKK- und Fernwärmeanlagen ein, zwei der wichtigsten Projekte, dank derer das gesamte Lamborghini-Werk als CO2-neutral zertifiziert wird. Damit erreichte Lamborghini ein vorrangiges Ziel seiner Nachhaltigkeitsstrategie, die einige Jahre zuvor ins Leben gerufen wurde und bis heute besteht.
2018 kam mit dem Urus Super SUV Lamborghinis drittes Modell – ein Fahrzeug das auf dringenden Wunsch von Stephan Winkelmann, Vorstandsvorsitzender und CEO von Automobili Lamborghini, in Sant’Agata Bolognese gefertigt werden sollte. Mit Hilfe einer historischen Vereinbarung zwischen Lamborghini, der italienischen Regierung und der Region Emiglia-Romagna, die der Föderung der Wiederbelebung der Terra Motori gewidmet ist, gelang es, die bebaute Werksfläche auf 160.000 m2 zu erweitern.
Der Produktionsbereich in Sant’Agata Bolognese umfasst eine neue Montagelinie ausschließlich für den Urus, eine neue Finish-Abteilung für sämtliche Lamborghini-Modelle sowie ein neues Bürogebäude mit LEED-Platinum-Zertifizierung, dem weltweit höchsten Standard für die Energie- und Umweltzertifizierung für den Bausektor. Zudem wurde speziell für den SUV eine neue Teststrecke mit dreizehn verschiedenen Oberflächen gebaut sowie ein neues Logistiklager, eine zweite KWKK-Anlage und der neue „Energy Hub“, das zentrale Produktionszentrum für sämtliche Energieträger. Das Produktionsmodell Manifattura Lamborghini wurde ins Leben gerufen, ein innovativer und nachhaltiger Ansatz, der handwerkliche Fähigkeiten mit den modernsten verfügbaren Technologien zusammenführt.
2019 wurde die Lackieranlage für den Urus eröffnet. Seit 2020 ist die Lieferkette noch nachhaltiger, durch den Transport auf der Schiene werden 85 % CO2 eingespart. Diese Nachhaltigkeitsmaßnahmen zielen nicht bloß auf den Schutz der umliegenden Gebiete, das Unternehmen wird sein Engagement im Laufe der Jahre gemeinsam mit den Menschen in deren Gemeinschaften immer weiter ausdehnen, um seiner sozialen Verantwortung gerecht zu werden.
Im Mai 2021 kündigte Stephan Winkelmann das Programm Direzione Cor Tauri an, ein ehrgeiziges Vorhaben, mit dem Lamborghini spätestens bis 2024 die gesamte Produktpalette elektrisieren will. Am Ende dieses Jahrzehnts soll dann das erste vollelektrische Fahrzeug präsentiert werden. Dies sind wichtige Schritte, die zum Vorhaben der Dekarbonisierung gehören, ein Teil von Lamborghinis gesamtheitlichem Ansatz in der Nachhaltigkeitsstrategie, die darauf zielt, Klimafolgen in der gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren.
Noch heute ist die lange Gebäudefront mit dem stolz auf dem Dach prangenden Lamborghini-Schriftzug, der bereits 1963 zum Original-Firmenkomplex gehörte, der Teil des Werks, der am meisten ins Auge springt und von der Weiterentwicklung eines Unternehmens zeugt, das seiner DNA immer treu geblieben ist und seinen Blick dennoch stets in die Zukunft richtet.