Interview mit Paolo Poma, CFO und Managing Director von Automobili Lamborghini
Sant’Agata Bolognese, 9. August 2022 – Automobili Lamborghini hat kürzlich das beste Halbjahr seiner Geschichte abgeschlossen: Absatz, Umsatz, Geschäftsergebnis und Rentabilität sind so hoch wie nie zuvor. Trotz der Unsicherheiten und Herausforderungen, die durch den geopolitischen Kontext und die anhaltende Pandemie gegeben sind, bestätigen der konstante Erfolg und die positiven Reaktionen des Marktes die Solidität des Unternehmens und ihre starke Anziehungskraft auf internationaler Ebene.
Die Finanzstrategie, die diese Ergebnisse antreibt, und die Zukunftspläne des Unternehmens aus Sant’Agata Bolognese sind nur einige der im Interview mit Paolo Poma, Chief Financial Officer und Managing Director von Automobili Lamborghini, angesprochenen Themen.
Lamborghini hinterließ 2021 mit außergewöhnlichem Wachstum einen Eindruck und verzeichnete ein Ertragsniveau, das mehr als doppelt so hoch ausfiel wie 2018. Hat sich dieser Trend in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 fortgesetzt, und wird er bis zum Jahresende anhalten?
Ich kann sagen, dass sich dieser Trend im ersten Halbjahr 2022 nicht nur konsolidiert, sondern weiter beschleunigt hat. Wir haben zwei Jahre Pandemie hinter uns, während derer wir dank unserer Belastbarkeit und rechtzeitigen Reaktionen unseren Wachstumskurs fortsetzen konnten. Insbesondere in puncto operative Marge haben wir schrittweise ein Niveau auf Augenhöhe mit den führenden Marken der Luxusindustrie erreicht.
Wir haben uns das klare Ziel gesetzt, Klassenbeste zu werden, und wir sind auf dem Weg, dieses Ziel zu erreichen. Die Ergebnisse des ersten Halbjahrs bestärken uns in der Überzeugung, dieses Geschäftsjahr mit einem starken Wachstum im Vergleich zu 2021 abschließen zu können.
In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres beliefen sich die weltweiten Auslieferungen auf 5090 Stück (+4,9 %). Währenddessen wuchs in Bezug auf die finanziellen Kennzahlen der Umsatz auf 1,332 Milliarden Euro, was einer Steigerung um 30,6 Prozent im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2021 entspricht. Das operative Ergebnis verzeichnet gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um 69,6 Prozent von 251 auf 425 Millionen Euro. Die entsprechende operative Marge stieg auf 31,9 Prozent und übertraf damit die im Vergleichszeitraum 2021 erzielten 24,6 Prozent.
Für die nächsten Jahre strebt Lamborghini ein noch ambitioniertes Ziel an: Die jährliche Rentabilität soll mittelfristig auf ein Niveau von 22 bis 25 Prozent gebracht werden.
Mit seinem Rentabilitätsniveau gehört Lamborghini heute zu den führenden Akteuren im Luxussegment. Was hat diesen Sprung ermöglicht?
Wir können mit Stolz von uns behaupten, in jeder Hinsicht eine Luxusmarke zu sein.
Dessen ungeachtet müssen wir uns auch mit der Komplexität unseres Zielsegments, sprich dem Automobilsektor, auseinandersetzen. Das darf man keineswegs außer Acht lassen, denn es ist nicht selbstverständlich, eine mit Unternehmen aus dem allgemeinen Luxussegment vergleichbare Rentabilität zu erzielen, da diese viel weniger kapitalintensiv sind.
Im Luxussegment sind der wichtigste Faktor für finanzielle Nachhaltigkeit hohe Produktmargen. An diesen haben wir in den letzten fünf Jahren intensiv gearbeitet, und das mit einem klaren Ziel: Vorgängerprodukte durch Nachfolger mit einer höheren Marge zu ersetzen. Daran gibt es nichts zu rütteln; Kompromisse können wir nicht eingehen. Es gilt, diesem Wachstumspfad weiter zu folgen, und zwar mit Produkten, die für den Markt immer attraktiver sind, gleichzeitig aber auch höhere Margen bieten.
Welche Finanzstrategie hat die sprunghafte Entwicklung der letzten Jahre angetrieben?
In den vergangenen fünf Jahren war unser Wachstum in erster Linie durch den Fokus auf drei wichtige Faktoren gekennzeichnet.
Erstens: die Geschäftsentwicklung durch Erweiterung unseres Produktportfolios. Wir agieren in einer Industrie, die durch und durch produktgetrieben ist; ein Fakt, den wir nicht außer Acht lassen können. Durch entsprechende Ressourcenzuteilung haben wir unsere Strategie, Supersportwagen-Derivate zu entwickeln, unterstützt. Parallel dazu haben wir unser drittes Modell, den Urus, eingeführt, was dem Unternehmen einen Sprung in eine neue Dimension ermöglicht hat.
Der zweite Faktor, der jedoch mehr Entwicklungszeit in Anspruch nimmt, ist eine höhere Produktrentabilität. Wie Sie sich vorstellen können, passiert dies nicht von heute auf morgen, da neue Produkte lange Entwicklungszyklen aufweisen, die bis zu fünf Jahre in Anspruch nehmen können. Dieser Prozess hat sich über die Jahre entwickelt, während wir parallel dazu die Positionierung unserer Produkte im Sortiment selektiv bewertet haben. In diesem Zuge haben wir die von bestimmten Märkten und Segmenten gebotenen Chancen ergriffen.
Der dritte Faktor ist ein geordnetes Wachstumsmanagement. Damit ist die Kontrolle der Investitionen und allgemeinen Fixkosten gemeint. Es ist klar, dass in einem wachsenden Unternehmen auch die Fixkosten steigen. Jedoch bedarf es auch diesbezüglich einer sorgfältigen Dimensionierungsanalyse, die immer mit dem erwarteten Wachstum in Einklang stehen muss. Sobald das Unternehmen ein bedeutendes Größenwachstum auf den Weg bringt, muss man mit einem entsprechenden Wachstum der Allgemeinkosten rechnen. Gleichzeitig jedoch muss dieses Wachstum kontrolliert und innerhalb von Zielvorgaben gehalten werden. So wird garantiert, dass die finanziellen Ziele nachhaltig sind und wir die Gewinnspannen erzielen können, die wir heute verzeichnen.
Die jüngsten Ereignisse lehren uns, dass erfolgreiche Geschäftsstrategien jene sind, die sich rasch an neue Gegebenheiten anpassen lassen: Risikomanagement ist heute im Finanzbereich zu einer der wichtigsten Aufgaben geworden. Lamborghini hat es geschafft, einer Phase geopolitischer Herausforderungen und Unsicherheiten mit Solidität und hoher Flexibilität entgegenzutreten. Andererseits gibt es neue Technologien, und die Digitalisierung schreitet immer weiter fort: Das sind Chancen, die Lamborghini auch in finanziellen Belangen ständig im Blick hat. Technologische Innovation ist seit jeher Teil der DNA des Unternehmens und schlägt die Brücke in eine Zukunft voller neuer Möglichkeiten.
Apropos Zukunft: Welche wesentlichen Kompetenzen soll der CFO von morgen haben?
Die Rolle des CFO hat sich über die Jahre stark verändert. Sie entfernt sich immer mehr von der Kontrolle und Steuerung von Transaktionen hin zur Wertschöpfung durch die Überwachung und gezielte Zuweisung von Mitteln. Er beschäftigt sich nicht mehr nur mit Finanzen, Rechnungswesen, Controlling und Verwaltung, sondern nimmt zusehends die Rolle eines Business Partners ein. Das versetzt den CFO in die Lage, die Optionen und Alternativen der diversen Stakeholder zu bewerten und jene mit dem größten Mehrwert und den besten Perspektiven auszuwählen. Diesen werden dann die verfügbaren Mittel zugewiesen.
Der CFO von morgen wird immer mehr auf Megatrends zu achten haben, wobei es für uns in der Automobilbranche vor allem um zwei Stück geht: einerseits Nachhaltigkeit durch Elektrifizierung, was eine echte Revolution für die Branche ist, andererseits die Digitalisierung, die das Konzept des Autos den jüngeren Generationen näherbringt.
Ein CFO wird also zu einer Führungskraft, die zunehmend in die Entwicklung alles umfassender Strategien eingebunden ist.